Bauherr der Kapelle Marienbrunn in Kleine Mast war der Stiftskanoniker Johann Bernhard Abbing erbaut wurde. Als Sohn des Vredener Richters von Haus aus nicht unvermögend und geprägt durch sein Studium bei den Jesuiten verkörperte er das vom Trienter Reformkonzil (1545-1563) geprägte Priesterideal des guten Hirten. Nach seiner Priesterweihe 1665 erhielt er zunächst die mit dem Annenaltar in der Georgskirche verbundene Vikarie. Auf diese Stelle verzichtete Abbing 1668, als ihm das Kanonikat, also die Priesterstelle am Altar des hl. Johannes Ev. in der Stiftskirche verliehen wurde. Zehn Jahre später übertrug ihm die Äbtissin Maria Franziska I. von Manderscheid-Blankenheim 1678 das Michaelskanonikat. Das war sicher auch ein Vertrauensbeweis, denn damit war die Würde eines abteilichen Hofkaplans mit festem Platz am Tisch der Äbtissin verbunden.

Als gewissenhafter Seelsorger machte Abbing sich Gedanken über die Verwendung seines Vermögens. Damit es ihm nicht so gehe wie dem bösen Knecht im Gleichnis (Mt 25,14-30), glaubte er sich verpflichtet, die ihm von Gott verliehenen „Talente“ zum Seelenheil der ihm anvertrauten Gläubigen verwenden zu sollen. Aus solchen Überlegungen heraus erbaute er 1678 an der von Vreden nach Eibergen führenden Landstraße auf der Grenze der Bauerschaften Ellewick und Crosewick eine kleine Kapelle, die er unter das Patrozinium des Heiligen Kreuzes stellte. Die Wahl dieses Patroziniums wird verständlich, wenn man weiß, dass Abbing auch Präses der Marianischen Sodalität war. Diese Bruderschaft hatte ihren spirituellen Mittelpunkt am Marienaltar in der Stiftskirche, auf dem damals das heute in der Georgskirche stehende Bildnis der Schmerzhaften Muttergottes verehrt wurde. Der Zusammenhang wird auch dadurch deutlich, dass Abbing am Langen Diek zwischen Vreden und Ellewick Heiligenhäuschen aufstellte, die auf der einen Seite die Geheimnisse des Schmerzhaften Rosenkranzes zeigten, auf der anderen die des Glorrreichen Rosenkranzes. Die im Laufe der Zeit verfallenen Stationen wurden 1982/83 neu errichtet und mit Steinzeugfliesen der Stadtlohner Töpfermeisterin Miriam Kappel geschmückt. Vervollständigt wurden sie durch den Bau der am 17. Juli 1988 geweihten Rosenkranzkapelle an der Oldenkotter Straße. Weil Abbing als Kanoniker in Vreden wohnte, stellte er zur Beaufsichtigung der Ellewicker Kreuzkapelle 1697 die Devotesse Johanna Lubberding an, eine der auch als „Kloppen“ bekannten geistlichen Frauen.

Im selben Jahr begann Abbing mit dem Bau der Kapelle Marienbrunn in Kleine Mast. Die bis 1699 weitgehend fertige Kapelle sah ursprünglich ganz anders aus als heute. Der achteckige Zentralbau hatte nämlich vier im Anfang des 20. Jahrhunderts leider abgebrochene quadratische Anbauten. Der hinter dem Altar diente als Sakristei, die anderen als ‚Seitenschiffe‘. Da sie nur indirekt vom Mittelbau aus beleuchtet wurden, wird die Kapelle insgesamt einen interessanten Lichteffekt geboten haben, der den Altar in den Mittelpunkt rückte. Auf dem wie die Kanzel und der Bogen um die Altarnische vom Vredener Künstler Gerhard Elsbeck geschnitzten Tabernakel steht eine Pieta des münsterischen Bildhauers Johann Mauritz Gröninger. Gestiftet hatte sie Abbings Haushälterin Catharina Loesink, die damit das mit dem Heilig-Kreuz-Patrozinium der Ellewicker Kapelle und dem Marienaltar der Stiftskirche vorgegebene Thema der Passion aufgriff.

Anfangs hat Abbing selbst an den Kapellen in Kleine Mast und Ellewick die in der dortigen Inschrift genannten Christenlehren für Kinder und Erwachsene abgehalten. 1701 stiftete er in seinem Testament eine Vikarie für die Katechese. Sonntagsmessen in Ellewick gehörten jedoch nicht zu den Pflichten des Vikars. Wegen der in Abbings Stiftung festgelegten doppelten Verpflichtungen des Vikars sowohl in Ellewick als auch in Kleine Mast erreichten die Ellewicker Gläubigen es erst 1902, dass der Vikar dauerhaft bei ihnen im neuerbauten Vikarienhaus Wohnung nahm. Bis dahin hatte der jeweilige Vikar in der sogenannten „Fiskerie“ gewohnt, die heute durch die Umgehungsstraße von der Kapelle getrennt ist. Aber noch längere Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war sie das Ziel der sogenannten „Appelprussioon“, die am zweiten Sonntag nach Mariä Himmelfahrt (15.8.) von Vreden aus zur Kapelle zog, wo die Leute nach Andacht und Predigt einen mitgebrachten Apfel aßen.

Text: Volker Tschuschke
Foto: Richard Nienhaus

Literaturhinweise

Falls wir Sie neugierig gemacht haben, finden Sie hier weitere Literaturhinweise.