Stiftskirche St. Felicitas

Die hl. Felicitas wurde die Patronin der unmittelbar benachbarten Frauenstiftskirche. Ihr ältester Bauteil ist die sehenswerte Krypta mit den unterschiedlich dekorierten Pfeilern und Säulen. Sie stammt aus der Zeit der Äbtissin Adelheid I., einer Tochter Kaiser Ottos II. und zugleich Äbtissin zu Quedlinburg und Gernrode. Zusammen mit ihrer Schwester, der Essener und Gandersheimer Äbtissin Sophia, konnte sie 1024 den neugewählten König Konrad II. in Vreden begrüßen. Die Osterweiterung der Krypta erfolgte dagegen erst unter Erzbischof Liemar von Bremen, dem Kaiser Heinrich IV. das Stift 1085 schenkte. Auf Liemar geht auch der Neubau der heutigen Stiftskirche zurück, einer der frühen gewölbten Kirchenbauten in Westfalen. Ihre Gewölbe mit spätgotischen Fresken anbetender Stiftsdamen gingen bei der Kriegszerstörung 1945 ebenso verloren wie die prächtige Barockausstattung, die teilweise von den Vredener Bildschneidern Gerhard und Johann Elsbeck geschaffen wurde.

Erhalten geblieben ist u.a. das berühmte Hungertuch, das 1619 von Agnes von Limburg-Styrum, Äbtissin der Stifte Elten, Vreden, Borghorst und Freckenhorst, gestickt wurde. Das Leinen erinnert an das Grabtuch Jesu, und zwischen den einzelnen Bildern der Passion weisen die Ahnenwappen auf den hohen Rang der Stifterin hin.

Etwas jünger ist das Felicitasretabel im Südquerhaus. Es spielt heute eine Rolle als Gedenkort für verstorbene Kinder und wurde 1639 von der damaligen Pröpstin und späteren Eltener und Vredener Äbtissin Maria Sophia von Salm-Reifferscheidt gestiftet. Die beiden Reliefs zeigen Szenen aus der Leidensgeschichte der Kirchenpatronin. Die hl. Felicitas lebte als Witwe in Rom, wo sie durch gute Werke zur Ausbreitung des Christentums beitrug. Deswegen wurde sie 162 von den heidnischen Priestern vor Kaiser Marc Aurel Antoninus Pius angeklagt und mit ihren sieben Söhnen hingerichtet. Der Altar war zwischenzeitlich an die Kapelle des St. Antoniusheims in Köckelwick ausgeliehen, kehrte aber nach deren Profanierung 2012 in die Stiftskirche zurück. Dank der vorhergehenden Restaurierung erstrahlt er heute wieder in der Originalfassung seiner Entstehungszeit.

Damals stand er auf dem sogenannten Gräfinnenchor. Die Bezeichnung dieser Damenempore verdeutlicht ebenso wie das wappengeschmückte Grabdenkmal der 1708 gestorbenen Eltener und Vredener Äbtissin Maria Franziska I. von Manderscheid-Blankenheim im Langhaus den besonderen Rang des Stiftes Vreden: Mit den Stiften Essen, Elten, Thorn und St. Ursula in Köln zählte es zum exklusiven Kreis derjenigen Frauenstifte, die wie die beiden Domkapitel in Köln und Straßburg ausschließlich dem altfreien gräflichen Hochadel vorbehalten waren.

Andere Teile der historischen Ausstattung, Reliquiare, liturgische Geräte und Paramente, darunter die Sixtus-Kasel, ein Messgewand aus der Zeit zwischen 606 und 753, und die eine von der Äbtissin Maria von Erbach († 1518) geschenkte Perlenkasel, sind heute als Leihgaben der Kirchengemeinde St. Georg im kult zu besichtigen.

Andere Stücke sind erst nach dem Krieg aus der Pfarrkirche St. Georg in die Stiftskirche St. Felicitas gekommen. Dazu zählen das spätromanische Stufenportal am Nordquerhaus und der Radleuchter. Dieses Werk des Vredener Schmiedemeisters Gerd Bülsing von 1489 stellt das himmlische Jerusalem der Geheimen Offenbarung des hl. Johannes dar: Gottes Stadt mit einer Mauer und zwölf Toren, deren Grundsteine die Apostel sind (Off 21,9-21). Im Zentrum steht die hl. Maria mit dem Jesuskind als die apokalyptische Frau, von der Sonne bekleidet und den Mond unter ihren Füßen (Off 12,1-6). Damit verweist der Leuchter auf die ewige Heimat, die Wohnung, die Gott denen bereitet hat, die ihn lieben (Is 64,3; Joh 14,2; 1 Kor 2,9).

Als die Marienkirche 2011 aufgegeben und 2015 schließlich abgerissen wurde, fand ihre Orgel von 1991 einen neuen Standort in der Stiftskirche.

Um die Stiftskirche St. Felicitas und die Pfarrkirche St. Georg wurde im Laufe der Jahrhunderte eine ganze Reihe von Gotteshäusern gegründet. Die erste Vredener Tochterkirche entstand in Ottenstein. Nachdem Otto von Ahaus 1316/19 auf der Grenze der Kirchspiele Vreden, Wessum und Wüllen die Burg Ottenstein errichtet hatte, stifteten seine Tochter Sophia und deren Mann Heinrich I. von Solms-Ottenstein 1343 eine Kapelle, die von ihrer Vredener Mutterkirche das Georgspatrozinium übernahm. Diese Kapelle wurde auf Antrag Johanns von Solms-Ottenstein 1365 durch den Bischof von Münster zur Pfarrkirche erhoben. Weil sie eine Tochterkirche Vredens war und auf Vredener Gebiet lag, war dazu die Zustimmung des Stiftes notwendig und ihr Pfarrbezirk wurde auf das Schloss und das kleine Burgstädtchen beschränkt. Die Bauerschaft Hörsteloe gehörte hingegen weiterhin zur Pfarrgemeinde Vreden und wurde erst 1860 nach Ottenstein umgepfarrt.

 

Text: Volker Tschuschke
Foto: Klaus Lehmich

Stiftskirche St. Felicitas
Kirchplatz 3
48691 Vreden

Literaturhinweise

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