St. Franziskus (Zwillbrock)

Die nächsten Kirchengründungen fallen erst in die Zeit der Gegenreformation nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648), dessen Ursachen auch die konfessionellen Rivalitäten im Reich waren. Der Sieg des Grafen Tilly bei Stadtlohn 1623 ermöglichte den Beginn der Rekatholisierung. Dazu wurden in den Städten des Westmünsterlandes verschiedene Klöster gegründet: 1627 kamen die Minoriten nach Bocholt, die Jesuiten und Kapuziner nach Coesfeld, diese 1629 auch nach Borken und 1641 die Observanten nach Vreden. Dadurch, dass der Westfälische Friede 1648 mit der Festlegung des sogenannten „Normaljahres“ 1624 die damaligen konfessionellen Verhältnisse zementierte, wurde ihre Arbeit im Münsterland begünstigt. Umgekehrt schrieb er aber auch das Ausscheiden der Niederlande aus dem Reich fest. Hier wurde der Calvinismus zur bevorrechtigten Religion. Öffentlicher katholischer Gottesdienst wurde dagegen ebenso verboten wie umgekehrt protestantische Gottesdienste im Fürstbistum Münster. Daher schlossen sich die Vredener Reformierten im August/Oktober 1651 mit denen im niederländischen Rekken zu einer Gemeinde zusammen. Im Gegenzug wurden die Katholiken in den niederländischen Grenzgemeinden, die nach wie vor kirchlich zum Bistum Münster gehörten, durch die Ordensleute der grenznahen Klöster betreut.

Zu ihnen gehörten die Bocholter Minoritenpatres Georg Philippi und Cölestin Tilbeck. Um Verfolgungen der niederländischen Behörden zu entgehen, feierten sie die Christmette am 25. Dezember 1651 direkt an der Grenze auf münsterischem Gebiet. Zu diesem Weihnachtsgottesdienst kamen etwa 1000 Menschen aus Groenlo und Umgebung zusammen, und weil er unter freiem Himmel stattfand, wurde der Altar durch einen aus Tüchern zusammengebundenen Baldachin notdürftig gegen das Winterwetter geschützt. „Das war Bethlehem im Walde“, vermerkte die Klosterchronik dazu im Rückblick.

Im Frühjahr 1652 wurde eine provisorische Kapelle aus Torfschadden gebaut. Noch im Laufe des Jahres aber wurde diese durch eine weiter südlich gelegene Fachwerkapelle von etwa 25 x 9 m ersetzt, die 1656 um einen Nordflügel erweitert wurde. Dazu wurde die Wohnung der Patres abgebrochen und dafür an der Südwestecke ein kleinen Klösterchen in Fachwerkbauweise errichtet.

Dank der großzügigen Unterstützung durch Franz Arnold von Wolff-Metternich, den Fürstbischof von Münster, und die von ihnen pastorierten niederländischen Katholiken konnte dieses Fachwerkkloster später durch massive Neubauten ersetzt werden. Unter der Leitung des Minoritenbruders Balthasar Boemer wurde nach einem vermutlich vom münsterischen Landingenieur Gottfried Laurenz Pictorius gelieferten Entwurf 1713/17 zunächst der neue Klostertrakt erbaut, 1717/20 die rechtwinklig daran anschließende Klosterkirche. Ihre Ausstattung zog sich noch geraume Zeit hin, und erst 1748 wurde die Schlussweihe vorgenommen. Parallel zur Kirche entstand ein freistehender Südflügel, der 1765/82 einem nun mit dem Kloster verbundenen Neubau weichen musste. Damit war nach Abbruch der alten Gebäude eine nach Westen zu den Niederlanden hin offene hufeisenförmige, von Gärten und Wald umgebene Gesamtanlage entstanden, und den über den Kloppendiek kommenden Gläubigen bot sich ein ganz im Sinne des Barock inszenierter beeindruckender Anblick. Diese bewusst gestaltete Sakrallandschaft wurde nach der Aufhebung des Klosters 1811 und seinem Abriss 1822 stark verändert. Erhalten blieben nur der Prozessionsweg mit seinen teilweise von der Coesfelder Bildhauerwerkstatt Sasse geschaffenen Figuren und die Klosterkirche St. Franziskus.

Eine Kirche gab es damit in Zwillbrock nach wie vor, doch nachdem die Ordensleute ihr Kloster zur Jahreswende 1811/12 hatten verlassen müssen, hatte der Gottesdienst darin zunächst aufgehört. Nur unter großen Mühen gelang es der Bevölkerung, die immer noch zur Pfarrei St. Georg gehörte, in den folgenden Jahrzehnten, den Unterhalt für einen eigenen Geistlichen sicherzustellen. Aufgrund der weiten Entfernung zu ihrer Pfarrkirche in Vreden errichten sie schließlich 1858 als erste Bauerschaft die Abpfarrung von St. Georg.

Die finanziellen Schwierigkeiten der kleinen Gemeinde hatten jedoch auch ihr Gutes: Weil das Geld fehlte, war an einen Neubau nicht zu denken. Infolgedessen blieb die Kirche von Veränderungen verschont; nur die barocke Ausstattung wurde dem Zeitgeschmack entsprechend übermalt. Erst dank der Restaurierung durch Edgar Jetter und Heinrich Hauke in den Jahren 1958/61 erstrahlt St. Franziskus wieder in barocker Pracht. Anschließend wurde 1962/65 auch die Orgel durch Paul Ott erneuert und seitdem häufig für Orgelkonzerte bespielt. Eine neuerliche Restaurierung von Kirche und Orgel erfolgte 2014/15 und parallel dazu wurde die Umgebung neugestaltet, so dass auch das Klostergelände wieder erfahrbar ist. Damit präsentiert sich St. Franziskus als barockes Kleinod, das einlädt zum betrachtenden Verweilen. Besonders sehenswert sind neben der Kanzel mit ihrem prächtigen bekrönenden Engel die Kommunionbank, deren kostbare Intarsien auf das letzte Abendmahl hinweisen, und der Hochaltar, dessen Kreuzigungsbild zur Weihnachtszeit gegen ein Gemälde mit der Anbetung der Hirten ausgetauscht wird. Es verweist ebenso wie die heute als Leihgabe im kult ausgestellte kostbare Rokokokrippe auf die Anfänge von Kirche und Kloster Zwillbrock: Bethlehem im Walde.

 

Text: Volker Tschuschke 
Foto: Richard Nienhaus

Filialkirche St. Franziskus
Zwillbrock 9
48691 Vreden

Literaturhinweise

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