St. Bruno (Lünten)

Während sich für alle anderen Kirchen ein Stifter oder eine Gründerin benennen lässt, ist das in Lünten anders. Hier wird überliefert, Mönche aus dem Kartäuserkloster Marienburg in Weddern bei Dülmen seien an der Gründung beteiligt gewesen und hätten zuerst den Gottesdienst darin gefeiert. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass der Kartause Marienburg seinerzeit die Lüntener Höfe Hasker und Hisker gehörten und der Kirchenpatron, der hl. Bruno, der Gründer des Kartäuserordens ist.

Wie sein jüngerer Zeitgenosse, der hl. Norbert von Xanten, gehört auch der hl. Bruno in den Zusammenhang der Kirchenreform um 1100. Zunächst wurde er Stiftskanoniker an St. Kunibert in seiner Heimatstadt Köln. Später studierte er an der Domschule in Reims, deren Leiter er um 1056 wurde. 1075 wurde er sogar Kanzler des Erzbistums Reims. Aber bald wurde er ein entschiedener Gegner des damaligen Erzbischofs, weil der auf simonistische Weise geistliche Ämter gegen Geld verkaufte. Obwohl der Erzbischof schließlich von Papst Gregor VII. abgesetzt wurde, entschloss Bruno sich zu einem Leben als Einsiedler. Mit sechs Gefährten wandte er sich an Erzbischof Hugo von Grenoble, der ihnen 1084 die Einöde von La Chartreuse in den Alpen anwies. Dort gründeten sie ein kleines Kloster. 1089 berief Papst Urban II., in Reims einer seiner Schüler, Bruno als Berater an die Kurie nach Rom. Von dort musste er 1090 mit dem Papst vor Kaiser Heinrich IV. fliehen. Das ihm angebotene Erzbistum Reggio im äußersten Süden Italiens lehnte er ab. Stattdessen gründete Bruno zwei weitere Eremitenklöster. Hier vollendete er seine Kommentare zu den Psalmen und den Paulusbriefen und starb am 6. Oktober 1101 in Santa Maria dell Eremo. Die vom hl. Bruno geprägte Lebensweise verbindet zwei Ideale mönchischen Lebens, nämlich das zönobitische und das eremitische. Das bedeutet, dass die Mönche zwar zu mehreren in einem Kloster leben, aber jeder für sich ein eigenes Häuschen bewohnt, also im Kloster als Einsiedler lebt. Nur zu den Gebetszeiten kommen sie in der Klosterkirche alle zusammen. Ihr Alltag ist geprägt von Gottesdienst, Gebet, Schriftbetrachtung und Handarbeit, und das unter beständigem Schweigen.

Von daher ist es unwahrscheinlich, dass die Kartäuser in Lünten seelsorgerisch tätig waren; das hätte schlichtweg ihrem Ordensideal widersprochen. Vielleicht waren sie in irgendeiner Weise an der Ausstattung der Kapelle beteiligt, doch die Initiative ging von den Gläubigen aus. Es wird ihnen nicht entgangen sein, dass es zwar nicht in Ellewick, aber doch in Zwillbrock und Wennewick sowie dank einer Stiftung der Pröpstin Bernhardina Sophia von Ostfriesland-Rietberg seit 1712 auch in Ammeloe Sonntagsgottesdienste gab. Daher beantragten sie 1756 beim Generalvikar die Erlaubnis zum Bau einer Kapelle. Das kleine Gotteshaus war bis zum 17. November bereits vollendet und mit Altar und liturgischen Geräten ausgestattet. Daraufhin erteilte das Generalvikariat am 24. November 1756 die Genehmigung zur Feier einer sonntäglichen Frühmesse. Zur Feier der Gottesdienste stellten die Lüntener noch im selben Jahr den Vikar Hermann Franz Engelbert Kemper an. Damit hatten sie nun zwar eigene Sonntagsmessen in ihrer Kapelle. Für Trauungen, Taufen und Beerdigungen aber mussten sie nach wie vor nach St. Georg in Vreden und umgekehrt die Vredener Geistlichen zur Spendung der Krankensalbung nach Lünten kommen. Das war bei den langen und schlechten Wegen zu Fuß mit mancherlei Beschwernissen verbunden, wie die Anekdote von der „Lüntensken Löchte“ zeigt. Geändert hat sich das aber erst im 20. Jahrhundert.

Die Jahrhundertwende 1900 war eine Zeitenwende im wahrsten Sinne des Wortes, denn mit den Bahnbauten nach Vreden 1902 und Alstätte 1903 brach eine neue Zeit an. Einerseits wurde nun Kunstdünger aus dem Ruhrgebiet verfügbar und dadurch eine Ausweitung und Intensivierung von Ackerbau und Viehzucht möglich. Andererseits wurde das bevölkerungsreiche Industrierevier an Rhein und Ruhr als Absatzmarkt erreichbar. Auf dieser Grundlage konnten die von größter Armut geprägten Verhältnisse des 19. Jahrhunderts überwunden werden. Damit standen nun auch die Mittel zur Verfügung, um die Infrastruktur der wachsenden Bevölkerung anzupassen: Neben der alten Schule von 1859 wurde 1899/1900 eine Lehrerwohnung erbaut und 1909 eine eigene Mädchenschule errichtet. Zur selben Zeit entstand ab 1906 nach Plänen des bereits aus Ellewick bekannten Hilger Hertel d. J. eine neue Kirche. Sie konnte 1908 geweiht werden und zeigte in ihrem Inneren wie im Äußeren in Miniatur die aufwendige Formensprache der Neugotik. 1926 wurde sie Rektoratskirche und erhielt die Befugnis zur Sakramentenspendung.

Vierzig Jahre später wurde 1964 eine Erweiterung in Angriff genommen. Der Chor wurde abgerissen und durch ein modernes Querhaus ersetzt. Auf diese Weise wurde dringend benötigter Platz geschaffen. Zugleich aber rückte der Altar den Forderungen des II. Vaticanums (1962-1965) entsprechend in die Mitte der feiernden Gemeinde. Die Weihe durch den aus Lünten gebürtigen Weihbischof Heinrich Tenhumberg fand am 22. Mai 1966 statt, zusammen mit der Feier des silbernen Priesterjubiläums von Pfarrer Bernhard Stockmann. Zwanzig Jahre, nachdem er 1961 nach Lünten gekommen war, durfte er sich 1981 mit seiner Gemeinde darüber freuen, dass Lünten eine eigene Pfarrei wurde. ‚Seine‘ Kirche bietet bis heute eine interessante Synthese aus Alt und Neu und ist damit gewissermaßen ein Spiegelbild des vielfältigen Gemeindelebens.

 

Text: Volker Tschuschke
Foto: Richard Nienhaus

Filialkirche St. Bruno
Bischof-Tenhumberg-Str. 34
48691 Vreden

Literaturhinweise

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